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Etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung leiden an einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ.

Borderline: wenn die Gefühlswelt Achterbahn fährt

Etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung leiden an einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ.
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Borderline-Störung: Definition und Symptome

Borderline-Störung – was genau ist das? Möchte man zunächst wissen, wie der Begriff – der übersetzt „Grenzlinie“ bedeutet – zustande gekommen ist, muss man recht weit in die Geschichte zurückblicken: Geprägt wurde er 1938 von Adolph Stern, einem US-amerikanischen Psychoanalytiker. Stern benutzte ihn, um eine Art Übergangsbereich zwischen Neurose (zum Beispiel Depressionen, Ängste) und Psychose (zum Beispiel Schizophrenie) zu beschreiben. Im weiteren Verlauf hat sich diese Annahme jedoch als falsch herausgestellt: Inzwischen wird eine Borderline-Störung als völlig eigenstände psychische Störung, die sich durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Anzeichen äußert, angesehen. Zwar wird der Begriff weiterhin benutzt, doch die zutreffendere, offizielle Bezeichnung lautet „emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ“.

Diese Bezeichnung deutet auch darauf hin, dass es noch eine andere Unterform der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung gibt. So sind bei der Diagnose zwei Typen zu unterscheiden: der impulsive Typus und der Borderline-Typus. Beide haben gemeinsam, dass die Stimmung der Betroffenen unvorhersehbar und launenhaft ist und sie deutlich dazu neigen, ihren Impulsen ohne Berücksichtigung der Konsequenzen nachzugeben. Darüber hinaus tendieren sie zu emotionalen Ausbrüchen sowie streitsüchtigem Verhalten und Konflikten mit anderen und haben Schwierigkeiten, ihr impulshaftes Verhalten zu kontrollieren.

Und wodurch unterscheiden sich die beiden Unterformen voneinander? Beim impulsiven Typ stehen die emotionale Instabilität und die mangelnde Impulskontrolle im Fokus. Der Borderline-Typ umfasst zusätzlich mindestens fünf der folgenden neun Symptome:

  • verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu verhindern
  • intensive, aber instabile zwischenmenschliche Beziehungen, welche durch einen häufigen Wechsel zwischen Idealisierung und Entwertung des jeweiligen Gegenübers gekennzeichnet sind
  • Identitätsstörung in Form einer ausgeprägten und andauernden Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung
  • Impulsivität in mindestens zwei möglicherweise selbstschädigenden Bereichen (beispielsweise rücksichtsloses Fahren, übertriebenes Geldausgeben, Essanfälle, Drogenkonsum, riskantes Sexualverhalten)
  • wiederholte Selbstmordandrohungen/-versuche; selbstverletzendes Verhalten
  • emotionale Instabilität mit einem extremen Gefühlserleben und plötzlichen, häufig heftigen Stimmungsschwankungen, die schon durch kleinste Ereignisse hervorgerufen werden können
  • andauerndes Gefühl von innerer Leere
  • übermäßig starke Wut; häufige Wutausbrüche; Schwierigkeiten, Wut zu kontrollieren
  • durch Belastungssituationen ausgelöste, vorübergehende paranoide Vorstellungen (beispielsweise krankhaftes Misstrauen, optische oder akustische Halluzinationen) oder schwere dissoziative Symptome (verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers und/oder der Umgebung mit beispielsweise Bewegungsstörungen oder Erinnerungsverlusten)

Die vielfältigen Symptome einer Borderline-Störung können sich sehr negativ auf den Lebensalltag auswirken und einen hohen Leidensdruck verursachen. Dies geht aus den folgenden Beschreibungen von vier Betroffenen deutlich hervor:

„[…] Es fühlt sich an, als hätte man super viele starke Emotionen, die einen zerreißen. In diesen Momenten will man nichts mehr und macht alles, damit die innere Anspannung weggeht. […] Denn wenn ich so starke Emotionen fühlte, verhielt ich mich oft hochriskant und impulsiv. Ich bin dann zum Beispiel sehr schnell mit dem Fahrrad gefahren, mit Musik in den Ohren, über rote Ampeln. Das waren Taten der Hilflosigkeit, verzweifelte Versuche, das innere Chaos loszuwerden. […] Die Impulsivität und die Wutanfälle haben es mir auch in zwischenmenschlichen Beziehungen und in der Arbeit schwer gemacht. […] In einem Moment fühlte ich starke Wut auf meinen Freund und wollte die Beziehung am liebsten direkt beenden. Eine halbe Stunde später kam eine andere Emotion und dementsprechend veränderten sich auch meine Wahrnehmung und Gedanken. Dann konnte es passieren, dass ich plötzlich eine unfassbare Dankbarkeit empfand, diesen Menschen an meiner Seite zu haben. […]“

„[…] Ich erlebe alles ganz extrem von Angst bis Freude, aber am schlimmsten auch Wut. […] Ich bin oft erschöpft vom Leben. […] Wenn ich glücklich bin und einen neuen Partner habe, dann bin ich schwer begeistert von dem. Das ändert sich aber schnell, sobald er mir wehtut. Oft merke ich auch eine totale Leere und Sinnlosigkeit. […] Es genügt eine Ablehnung oder ein Blick von anderen Leuten, schon fühle ich mich wertlos. […] Sobald ich Zuspruch erhalte, fühle ich mich als Größte und Beste und Schönste. […] Ich nehme mich aufgelöst wahr. Wie ein Glaskasten, in dem Gefühle drin sind und ein Mädchen, das keiner will. Ich weiß nicht, wer ich bin. […]“

„[…] Wenn er [Lebensgefährte] zum Beispiel zur Arbeit gegangen ist, noch schlimmer war es aber, wenn er geschäftlich verreisen musste oder zu seiner Familie fuhr. […] Ich konnte nicht essen, mir war schlecht vor Angst und ich hatte das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Ich fing an zu weinen und zu fluchen, konnte nicht arbeiten oder mich auf irgendetwas konzentrieren. Außerdem war ich leicht reizbar und fühlte mich ziemlich hilflos und bedürftig. […]“

„[…] Wenn massive Anspannung oder ein Gefühl von Angst zu groß werden, fühlt es sich für mich auch oft so an, als würde ich mich aus meinen Gliedern zurückziehen. […] Ein Käfer, der sich totstellt. Es kann auch vorkommen, dass alles plötzlich wie unwirklich wird, ich nicht mehr weiß, wie ich heiße oder wo ich bin. Manchmal kann es so weit gehen, dass ich mich ganz ausknipse. Später merke ich dann nur, dass da eine Lücke in der Zeit ist […]."

Meistens treten die Anzeichen einer Borderline-Störung schon im Jugendalter auf. Die Diagnose erfolgt durch eine*n Psycholog*in oder Psychiater*in, beispielsweise mithilfe bestimmter Fragebögen oder Interviews.

Borderline-Störung: Entstehung

Psychische Störungen sind sehr komplex. Und so gibt es auch bei der Borderline-Störung nicht die eine Ursache. Vielmehr nimmt die heutige Forschung an, dass mehrere Faktoren ihre Entstehung fördern:

  • Traumatische Erfahrungen: Es besteht ein auffälliger Zusammenhang zwischen kindlichen Traumata und der Entwicklung einer Borderline-Störung. Nicht alle, aber bis zu 80 Prozent der Betroffenen haben in ihrer Kindheit körperlichen, emotionalen und/oder sexuellen Missbrauch erlebt. Die Erkrankungsanfälligkeit ist besonders hoch, wenn der Missbrauch in der frühen Kindheit und innerhalb der eigenen Familie stattfand. Auch frühe Trennungserfahrungen (beispielsweise der Tod eines Elternteils oder die Scheidung der Eltern) und psychische Auffälligkeiten innerhalb der Familie (beispielsweise Depressionen oder Alkoholabhängigkeit) können als traumatisch erlebt werden und dadurch die Entstehung einer Borderline-Störung begünstigen.
  • Genetische Veranlagung: Nicht die Borderline-Störung selbst, aber die Veranlagung dafür ist vererbbar. So wurde zum einen festgestellt, dass die Störung innerhalb von Familien gehäuft auftritt. Hierbei ist das Erkrankungsrisiko für Verwandte ersten Grades – also beispielsweise für das Kind eines betroffenen Elternteils – fünffach erhöht. Zum anderen haben bestimmte Menschen eine genetische Veranlagung, zu emotionaler Feinfühligkeit und Impulsivität zu neigen und mit Stresssituationen schlecht umzugehen. Hierdurch sind sie anfälliger für die Entwicklung psychischer Störungen, einschließlich der Borderline-Störung.
  • Funktionsweise des Gehirns: Man hat bei Menschen mit einer Borderline-Störung unter anderem festgestellt, dass der Frontallappen (zuständig für Impulskontrolle/-steuerung) sowie der Hippocampus und die Amygdala (zuständig für Gedächtnis und Gefühlsreaktionen) eingeschränkt funktionieren. Es ist jedoch noch unklar, ob diese Fehlfunktionen angeboren oder erst durch traumatische Erfahrungen entstanden sind.

Borderline-Störung: Was können Betroffene tun?

Bisher ist die Aussicht darauf, eine Borderline-Störung vollständig heilen zu können, gering. Jedoch gibt es für die Betroffenen Möglichkeiten, die schwerwiegendsten Auswirkungen ihrer Störung in den Griff zu bekommen und dadurch ihre Lebensqualität zu verbessern.

Der Hauptfaktor der Behandlung einer Borderline-Störung ist Psychotherapie. Hierbei gibt es unterschiedliche Therapieformen, die sich jeweils bestimmten Schwerpunkten der Störung widmen, beispielsweise folgende:

  • Dialektisch behaviorale Therapie (DBT)
    Die DBT gliedert sich in drei Phasen: In der ersten Phase werden neue Denk- und Verhaltensweisen – sogenannte Skills – vermittelt, gelernt und trainiert. So üben die Betroffenen beispielsweise Fertigkeiten zur Selbstkontrolle und zum Umgang mit Krisen ein. In der zweiten Phase geht es um die Bearbeitung belastender Lebensereignisse und Umstände der Betroffenen, welche zur Entstehung und Aufrechterhaltung ihrer Störung beigetragen haben. Die dritte Phase fokussiert darauf, das in der Therapie Erlernte auch im Alltag anzuwenden, das Selbstwertgefühl zu verbessern sowie persönliche Lebensziele zu entwickeln und umzusetzen.  
  • Schematherapie / schemafokussierte Therapie (SFT)
    Bei Schemata handelt es sich um in der Kindheit oder Jugend entstandene Muster, die sich aus Erinnerungen, Kognitionen (darunter Gedanken, Einstellungen), Emotionen und Körperempfindungen zusammensetzen. Die eigenen Schemata beeinflussen, wie man aktuelle Situationen wahrnimmt und auf diese reagiert. Die durch traumatische Kindheits-/Jugenderlebnisse entstandenen Schemata gehen mit sehr negativen Gefühlen einher und sind dysfunktional, sie wirken sich also ungünstig auf das Leben der Betroffenen auf. Die SFT zielt darauf ab, diese Schemata aufzudecken und abzubauen beziehungsweise durch funktionale, also „gesunde“, ressourcenhaltige Schemata zu ersetzen.  
  • Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)
    Die MBT nimmt an, dass bei den Betroffenen die Fähigkeit, eigene innere Vorgänge in einen verstehenden Zusammenhang zu stellen sowie die Fähigkeit, innere Vorgänge bei anderen Menschen zu erkennen und zu verstehen, eingeschränkt sind. Diese Fähigkeiten sollen in der Therapie verbessert werden. So lernen die Betroffenen beispielsweise zu verstehen, wie sie selbst zu Schwierigkeiten mit anderen Personen beitragen. Hierdurch kann ihre Impuls- und Emotionskontrolle gesteigert werden, wodurch ihr Beziehungsleben automatisch positiv beeinflusst wird.
  • Transference Focussed Therapy (TFP; im Deutschen: Übertragungsfokussierte Psychotherapie)
    Im Rahmen der TFP werden aktuelle problematische Beziehungsmuster analysiert. Gestörte Beziehungsmuster aus der Kindheit (zum Beispiel die Beziehung zur strengen Mutter) spiegeln sich in der Person des*der Therapeut*in wider. Diese Übertragungalter Erwartungen, Befürchtungen und Gefühle wird in den Sitzungen immer wieder thematisiert, sodass sie dem*der Betroffenen bewusst werden können und er*sie die eigene innere Haltung ändern kann.

Ein weiterer Faktor der Behandlung einer Borderline-Störung ist die medikamentöse Therapie. So können beispielweise Stimmungsstabilisatoren, Antidepressiva oder Antipsychotika zusätzlich zu einer Psychotherapie eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern und psychische Begleiterkrankungen, etwa eine Depression oder Angststörung, zu behandeln. Spezielle Borderline-Medikamente gibt es bislang nicht. Weitere klinische Forschung in diesem Bereich ist wichtig, um die Beschwerden der Störung medikamentös noch gezielter behandeln und den Betroffenen besser helfen zu können.  

Borderline-Störung: Geduld, Durchhaltevermögen und Zuversicht zahlen sich aus

Die Borderline-Störung ist eine komplexe, schwerwiegende Persönlichkeitsstörung. Ihre vielfältigen Symptome können sowohl von den Betroffenen als auch ihrem sozialen Umfeld, insbesondere Angehörigen, Freund*innen und Partner*innen, als sehr belastend empfunden werden. Zwar gibt es bisher, wie bereits erwähnt, wenig Aussicht auf eine vollständige Heilung der Störung. Doch mithilfe von Psychotherapie – gegebenenfalls in Kombination mit Medikamenten – können die Beschwerden deutlich gelindert werden, sodass sie den Lebensalltag der Betroffenen nicht mehr so stark beeinflussen und diese an Lebensqualität gewinnen. Dies zeigen unter anderem die folgenden Aussagen, aus denen auch hervorgeht, wie wichtig Geduld, Durchhaltevermögen und Zuversicht sind. Sie sollen anderen Betroffenen Mut machen, auf jeden ihrer noch so klein erscheinenden Fortschritte stolz zu sein und sich von Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen:

„[…] Es gibt immer Höhen und Tiefen, aber ich habe weitestgehend gelernt, damit umzugehen, ohne in eine völlige Krise zu stürzen und mich an Dingen total hochzuziehen, um dann darin zu ertrinken. […]“

„[…] Viele kleine, oft für einen selber unsichtbare, fast bedeutungslose Schritte sind der Anlauf für den berühmten Sprung ins Leben und über seinen eigenen Schatten! Habe Geduld, […] freue dich auch über kleine Schritte und verliere nicht die Hoffnung, auch wenn‘s leichter gesagt als getan ist, ich weiß! […]“  

„[…] vor einem Jahr habe ich keinem Menschen geglaubt, der mir gesagt hat, dass irgendwann alles besser wird. Aber es stimmt, wenn du die Hoffnung nicht aufgibst, weiterkämpfst und nach Rückschlägen immer wieder aufstehst, WIRD es irgendwann besser, das verspreche ich dir. […] Also nur nicht den Mut verlieren und weiterkämpfen, nichts ist unmöglich! […]“

„[…] Es ist möglich, aus dem Borderline-Sumpf rauszukommen, aber es erfordert extrem viel Durchhaltevermögen. Was heute vielleicht noch nicht geht, geht vielleicht morgen. […]“

*Anmerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir die Zitate der Betroffenen hinsichtlich Rechtschreibung und Grammatik angepasst.

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Quellen:

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